Genauigkeit von Pt100 und Pt1000
In diesem Beitrag erfährst Du alles Wichtige rund um die Genauigkeit von Widerstandsthermometern wie Pt100 und Pt1000. Klasse A, Klasse B, 1/3 DIN B etc. pp. – alles mit dabei. Und für die Akademiker unter euch: der Begriff der Genauigkeit ist in diesem Kontext in der Industrie üblich und sogar in sämtlichen Normen, u.a. der DIN EN 60751, festgeschrieben. In der Physik nennt sich das, worüber wir hier sprechen, Messunsicherheit.
Vorsicht: Der Begriff Genauigkeit bezieht sich lediglich auf den Fühler selbst!
…und nicht auf die Peripherie mit Leitungen, Anschlüssen; und schon gar nicht auf das gesamte Mess- und Regelsystem. Die DIN EN 60751 legt die Grundwerte für Messwiderstände fest, also den Zusammenhang von elektrischem Widerstand und Temperatur. Dabei gibt die Norm auch die zulässigen Abweichungen von den Grundwerten vor und damit die Toleranzklassen C, B, A und AA. Letztere ist die Klasse mit der höchsten Genauigkeit.
Gültigkeit für eingeschränkte Bereiche
Für jede Toleranzklasse ist ein Gültigkeitsbereich in °C definiert – je höher die Genauigkeit ist, umso kleiner ist der Temperaturbereich, für den diese Genauigkeit definiert ist. Wichtig zu wissen: für drahtgewickelte Widerstände sind andere Gültigkeitsbereiche definiert als für Dünnschichtwiderstände. Dazu hier eine Übersicht:
Toleranzklassen und deren Gültigkeitsbereiche nach DIN EN 60751:
Diese Formeln hier stammen 1:1 aus der DIN-Norm und nicht aus dem Lehrbuch 🙂
Temperaturangaben in °C
Klasse AA
drahtgewickelt: -50 bis +250
Dünnschicht: 0 bis +150
Grenzabweichung: ± (0,1 + 0,0017 | t |) °C
Klasse A
drahtgewickelt: -100 bis +450
Dünnschicht: -30 bis +300
Grenzabweichung: ± (0,15 + 0,002 | t |) °C
Klasse B
drahtgewickelt: -196 bis +600
Dünnschicht: -50 bis +500
Grenzabweichung: ± (0,3 + 0,005 | t |) °C
Klasse C
drahtgewickelt: -196 bis +600
Dünnschicht: -50 bis +600
Grenzabweichung: ± (0,6 + 0,01 | t |) °C
Beispiel I: Normwerte für Widerstandsthermometer Klasse C
Hier exemplarisch die Normwerte für ein Widerstandsthermometer Klasse C. Die Genauigkeit, in der Norm „Grenzabweichung“ genannt, ist wie folgt definiert:
________________________________________
± (0,6 + 0,01 |t|) °C
________________________________________
|t| ist der Betrag der Temperatur in °C. Das Vorzeichen kann also ignoriert werden.
Nehmen wir eine Messtemperatur von +100 °C an:
________________________________________
± (0,6 + 0,01*100) = ± 1,6 °C
________________________________________
Die zulässige Abweichung in Klasse C beläuft sich bei 100 °C auf ± 1,6 °C. Der Fühler darf also einen Wert zwischen +98,4 °C und +101,6 °C ausgeben.
Beispiel II: Normwerte für ein Widerstandsthermometer Klasse AA
Wenn wir stattdessen einen Fühler der Toleranzklasse AA verwenden, schaut die Rechnung bei 100 °C so aus:
________________________________________
± (0,1 + 0,0017 |t|) °C
± (0,1 + 0,0017 *100) = ± 0,27 °C
________________________________________
Ein Fühler der Klasse AA darf bei +100 °C also zwischen +99,73 °C und +100,27 °C ausgeben.
Was bedeutet die Genauigkeitsangabe 1/3 DIN B?
Gelegentlich werden wir noch mit alten Toleranzangaben, wie „Pt100 1/3 DIN“ oder „1/10 DIN“ konfrontiert. Was hat es damit auf sich?
Die aktuell gültige DIN EN 60751:2009 definiert bei Pt-Widerstandsthermometern die Toleranzklassen C, B, A und AA. Hier gehört die zulässige Abweichung bei 0°C und die messwertabhängige Abweichung zusammen. Die Genauigkeit eines Sensors wird also über den gesamten Bereich definiert.
Ältere Normen haben die Abweichung bei 0° und die messwertabhängige Abweichung separat definiert – deshalb kann die Verwendung der alten Normen heutzutage zur Auswahl des falschen Fühlers führen.
1/3 DIN B
Die Angabe „1/3 DIN“ heißt korrekt „1/3 DIN B“ – und besagt, dass die Toleranzen ein Drittel der nach Klasse B zulässigen Toleranzen betragen dürfen. Daraus ist in der aktuellen DIN EN 60751 die Genauigkeitsklasse „AA“ geworden. Die Grenzabweichung wird also nach dieser Formel berechnet:
± (0,1 + 0,0017 | t |) °C
1/10 DIN B – nicht normiert!
Schwieriger wird es bei der Forderung „1/10 DIN B“. Diese Genauigkeitsangabe kommt in keiner Norm vor; deshalb gibt es in der Praxis unterschiedliche Interpretationen davon:
Interpretation 1 orientiert sich grob an der Norm. Demnach wird die zulässige Grenzabweichung nach DIN B durch 10 dividiert. Die Formel lautet demnach: ± ( 0,3 + 0,005 | t | ) / 10 °C.
Interpretation 2 ist etwas freier – demnach wird nur die Toleranz nach DIN B bei 0 °C durch 10 dividiert, beträgt also 0,03 °C statt 0,3 °C. Bei abweichenden Temperaturen gelten die Grenzabweichungen nach DIN B. In der Praxis heißt das, dass ein Fühler der Genauigkeitsklasse AA bereits ab ca. 22°C ein engeres Toleranzfenster hat als der 1/10 DIN B Sensor! Einen vermeintlichen Genauigkeitsvorteil hat ein Fühler „1/10 DIN“ also nur in sehr engen Bereichen um 0°C herum.
Unsere Empfehlung: setze im Zweifelsfall lieber auf die aktuellen und normierten Genauigkeitsklassen (z.B. Klasse AA anstatt 1/10 DIN B). Und sollte das nicht möglich sein, sprich mit Deinem Lieferanten genau über seine Interpretation der Angabe.
Wie findest Du die richtige Genauigkeitsklasse?
Am besten definierst Du die für Dich akzeptable Abweichung in °C bei bestimmten Temperaturen – so findest Du die für Deine Anwendung passende Genauigkeitsklasse.
Ihr Ansprechpartner
Jörg Gibietz
Geschäftsführer
Italcoppie GmbH